Dietrich
von Bausznern + Der
Komponist Dietrich von Bausznern wurde am 20. Januar 1980 nach kurzer, heimtückischer
Krankheit durch den Tod mitten aus einem ungemein glutvollen, arbeits- und erfolgreichen
Leben gerissen. Er stand im Zenit seines reichen kompositorischen Schaffens -
voll von Plänen und Ideen - eine liebenswerte, bedeutende und hochgeachtete
Persönlichkeit. Am 19. März 1928 erblickte Dietrich von Bausznern
im ostpreußischen Rastenburg als Sohn eines Pfarrer das Licht der Welt. Seine
Vorfahren hatten in Siebenbürgen hohe Staatsstellungen bekleidet. Von seinem
Großvater Waldemar von Bausznern - dem bedeutenden Komponisten (1866-1931)
und Hochschuldirektor - muß Dietrich von Bausznern wohl seine besondere
kompositorische Begabung ererbt haben. Bedingt durch das Kriegsgeschehen kam
er 1943/44 erstmals in die Nähe seiner späteren zweiten Heimat: als
Gymnasiast an die Birklehofschule in Hinterzarten im Schwarzwald. Nach dem Abitur
in Potsdam begann er das Musikstudium in Weimar, wo sein Großvater (1910-1916)
Direktor des Konservatoriums gewesen war. 1949 übersiedelte er nach Freiburg
i. Br. Hier studierte er bis 1953 an der Hochschule für Musik. Sein Kompositionslehrer
war Harald Genzmer, der ihn später als "profilierten Komponisten"
würdigte und als einen "Menschen mit klaren Vorstellungen, Verantwortungsbewußtsein
und Einsatzbereitschaft". Schon während des Studiums zeichneten sich
seine vielseitigen Fähigkeiten ab. So wurde er bereits 1950 ständiger
freier Mitarbeiter des Südwestfunks in der Schulfunkabteilung. Eine Unzahl
von Sendungen, die er bis zum Ende dieser Einrichtung am Studio Freiburg betreute,
tragen seinen unverwechselbaren musikalischen Stempel. Daneben sind seine erfolgreichen
Tätigkeiten als Dozent für Musik an der Pädagogischen Hochschule
in Freiburg, als Kantor, Organist und Orchesterdirigent zu erwähnen. Im Jahr
1969 wurde er als Komponist an das Richard-Strauß-Konservatorium in München
berufen. 1973 erhielt er einen Ruf als Hauptfachlehrer für Musiktheorie
an die Hochschule für Musik in Frankfurt. 1979 erfolgte dort die Ernennung
zum Professor. Bis zu seinem Tod blieb Kirchzarten sein Stammwohnsitz. Hier gründete
er 1971 die inzwischen zu einem Begriff gewordenen "Kirchzartener Konzerte",
die in Niveau und Programmgestaltung von Beginn an durch die Künstlerpersönlichkeit
Dietrich von Bausznerns ihr Profil erhielten. Die Vielseitigkeit seines Wirkens
kommt auch zum Ausdruck in der großen Anzahl von Ehrenämtern, die er
innehatte: Er war Sektionsvorsitzender von Hessen/Saarland und Rheinland-Pfalz
des Deutschen Komponistenverbandes. Mitglied des E-Ausschusses des DKV., stellvertretendes
Aufsichtsmitglied der GEMA, Mitglied des Musikausschusses des Breisgauer Sängerbundes,
Kirchengemeinderat der ev. Kirchengemeinde Kirchzarten und Mitglied der Bezirkssynode
(Freiburg). In den sechziger Jahren war er Mitbegründer der "Arbeitswoche
Moderne Musik Wuppertal". Sein selbstloser Einsatz in den verschiedensten
Gremien war immer von dem Bestreben geleitet, sinnvolle Entwicklungen in Gang
zu bringen und mit zu beeinflussen sowie anderen zu helfen, hat ihm aber auch
viele Opfer an Zeit und Kraft abgefordert, die er seiner kreativen Tätigkeit
als Komponist nicht zuführen konnte. Die etwa 300 vorliegenden Kompositionen
umfassen nahezu alle Gattungen der Musik. Vom einfachen Orgelvorspiel bis zum
anspruchsvollen Oratorium, vom Musizierstück für Kinder bis zum abendfüllenden
Ballett hat D, v. B. mit ein und demselben Engagement seine kompositorischen Vorstellungen
in die Tat umgesetzt. Seine Werke fanden große Verbreitung außer in
Deutschland und an den deutschen Rundfunksendern in Dänemark, Frankreich,
Holland, Österreich, Schweden, der Schweiz und in den USA. Eine größere
Anzahl von Werken wurde auf Schallplatten eingespielt. 1966 wurde D. v. B.
mit dem Förderpreis des Freiburger Reinhold Schneider-Preises ausgezeichnet.
1973 erhielt er die Ehrengabe des Johann Wenzel Stamitz-Preises (ostdeutscher
Musikpreis) in Stuttgart. Die Erneuerung der evangelischen Kirchenmusik war
ihm ein besonderes Anliegen. In zwölf anspruchsvollen geistlichen Konzerten
und oratorischen Werken, darunter so eindrucksvolle Kantaten wie "Der Ackermann
und der Tod" (1962) und "Die Herrlichkeit des Herrn" (1960) hat
D. v. B. den hohen Stand seines kompositorischen Könnens manifestiert. Seine
Meisterschaft gestattete es ihm, auch mit einfachen Mitteln ein Maximum an Ausdruck
und Eindringlichkeit zu erreichen, so daß ein Teil seiner Werke spontan
Eingang in die kirchenmusikalische Praxis fanden, mit der er zeitlebens in enger
Verbindung stand. Sein Personalstil war geprägt durch seine immense kompositorische
Erfahrung, seine musikantische Vitalität und seine Offenheit allen überzeugenden
Neuerungen gegenüber, Klare Thematik, farbige Instrumentation, differenzierte
Rhythmik und ein ausgeprägter Formsinn zeichnen alle seine Werke aus, die
von einer originellen Auseinandersetzung zwischen Tradition und Moderne gekennzeichnet
sind. Wir haben D. v. B. zu danken für sein umfangreiches Lebenswerk,
für die Maßstäbe, die er als Mensch und Künstler gesetzt
hat. Die Freunde, die nun ohne ihn leben müssen, haben zu danken für
ungezählte Stunden des Frohsinns und der Lebensfreude ebenso wie für
Stunden des ernsten Gesprächs und der Besinnung, für seine von echtem
Humanismus getragene, zuverlässige, liebenswürdige Freundschaft. Wir
wollen und werden ihn nicht vergessen. Bertold
Hummel (erschienen in "Der Kirchenmusiker" 31.
Jahrgang, 3. Heft Mai/Juni 1980, Verlag Merseburger, Kassel)
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Dietrich
von Bausznern, Wolfgang Marschner, Bertold Hummel 1976 |
Werkverzeichnis
von Dietrich von Bausznern:
Biografie:
Dietrich
von Bausznern wurde am 19. März 1928 in Rastenburg (Ostpreußen)
geboren, wuchs in Stolzenberg (Pommern) auf und kam bei Kriegsende auf der Flucht
nach Potsdam. Hier nahm er Musikunterricht bei Hans Chemin-Petit und machte das
Abitur. Vorübergehend (1947 bis 1949) studierte er bei Ottmar Gerster an
der Hochschule für Musik in Weimar, dann übersiedelte er nach Freiburg
im Breisgau und studierte dort von 1949 bis 1953 bei Harald Genzmer. Schon während
des Studiums engagierte man ihn als ständigen Mitarbeiter an die Schulfunkabteilung
des Südwestfunks. Stationen seines beruflichen Aufstiegs waren sodann seine
Stellungen als Dozent an der Pädagogischen Hochschule in Freiburg (1962 bis
1969), am Richard-Strauss-Konservatorium in München (1969 bis 1973) und von
1973 an als Hauptfachlehrer für Musiktheorie und Tonsatz an der Staatlichen
Hochschule für Musik in Frankfurt am Main. Dort erfolgte 1979 seine Ernennung
zum Professor. Seit 1952 versah er gleichzeitig den Kantoren- und Organistendienst
in Kirchzarten (im Schwarzwald), wo er seinen Wohnsitz hatte und wo er Leiter
des Jugendbildungswerks Musik und seit 1971 der „Kirchzartener Konzerte“
war. Er wirkte außerdem in leitender Funktion bei der „Arbeitswoche
Moderne Musik Wuppertal“, beim Deutschen Komponistenverband, der GEMA, dem
Breisgauer Sängerbund und in verschiedenen kirchlichen Gremien. An Ehrungen,
die ihm zuteil wurden, sind zu nennen der Reinhold-Schneider-Preis, der Johann-Wenzel-Stamitz-Preis,
die Goldene Ehrennadel der Stadt Kirchzarten und das Bundesverdienstkreuz.
Zu
seinem Hauptanliegen als Interpret und Komponist gehörten die Bewahrung der
geistigen Traditionen in der evangelischen Kirchenmusik und die Erneuerung dieser
Musik aus der Überlieferung heraus. Aus vielfältigem, rastlosem und
auch aufreibendem Tätigsein riss ihn ein zu früher Tod am 20. Januar
1980. Sein kompositorisches Werk umfasst zwölf geistliche Konzerte und vier
Kantaten für Soli, Chor und Orchester (bzw. Orgel), elf Motetten, des Weiteren
Lied- und Chorsätze, Orgelmusik, Orchesterwerke, konzertante Werke für
Klavier und Orchester, Kammermusik für Melodieinstrumente mit Klavier bzw.
Orgel und für andere Besetzungen, außerdem eine „Jugendoper“,
eine „Funkoper“ und ein Singspiel für Kinder. Werkanalyse:
Bläserquintett Dietrich
von Bausznern komponierte sein Bläserquintett im Jahre 1974. Wir erleben
den Komponisten in dem 4teiligen Werk auf der Höhe seines Schaffens, das
geprägt ist durch rege Phantasie und ausgereifte satztechnische sowie instrumentatorische
Meisterschaft. Bausznern versteht seine musikalische Rhetorik - vielfach aus
Kleinstzellen und Klanggesten entwickelt - zu spontaner Wirkung zu bringen. Ihm
geht es um Fassbarkeit von Musik. So werden im 1. Satz des Quintetts (sehr
ruhig) barocke Floskeln und Ornamente formgliedernd eingesetzt. Die ständige
reizvolle Abwandlung der musikalischen Gedanken fügt sich mosaikartig zum
Ganzen. Der stark durch rhythmische Impulse geprägte 3teilige 2. Satz
(lebhaft) greift Verfahrensweisen des 1. Satzes auf - führt sie jedoch zu
völlig neuen Verknüpfungen. Staccati und Akzente sind vorherrschend
und bestimmen den Satzcharakter. Ruhige Klangflächen geben im 3. Satz
(ruhig, fest) Raum für solistische melodische Gestaltungsabläufe - wieder
sind Metamorphosen von barocker Ornamentik im kunstvollen Spiel. Der abschließende
4. Satz (sehr schnell) erscheint quasi als Durchführung des ganzen Werkes.
Er erhält einen besonderen Charakter durch seine zwingenden Motorik (punktierte
Rhythmen, ostinate Figuren etc.) und durch unerwartete, überraschende Pauseneinschübe.
Rhythmisch-akzentuierte Strukturen überwiegen in diesem äußerst
wirkungsvollen Finale. Das ganze Werk atmet musikalische Vitalität und
den Geist des zeitgemäßen Spielmanns, dem aus barocken Geist völlig
neue Möglichkeiten zuwachsen und der Dank seiner Begabung zu einer für
ihn typischen und unverwechselbaren Aussage gelangt.
Bertold
Hummel 18. März 1990 "in
memoriam ..." für Orgel und Schlagzeug op. 74 (1980) Dem Andenken
des Freundes Dietrich von Bausznern gewidmet
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